Ethik im Recruiting
Viele Bewerbungen landen im Postfach, aber nie die „Richtigen“? Bewerber:innen bestätigen die Einladung zum persönlichen Gespräch, tauchen aber nicht zum vereinbarten Termin auf? Andere kommen zum Gespräch, aber treten ihren Dienstbeginn nicht an? Situationen wie diese kennen wahrscheinlich alle, die im People-Management arbeiten, sehr gut.

Die VUCA-Welt (volatil, unsicher, complex und ambig), in der wir leben, erfordert schnelle Anpassung, Flexibilität und Neuausrichtung bei sich ständig verändernden Bedingungen, die sowohl Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber:innen betreffen.
Trotz allem – oder gerade deshalb – ist es wichtig, ethische Aspekte im Recruiting im Blick zu haben, um nicht in ein Fahrwasser zu geraten, das dem Unternehmen langfristig schaden kann.
Ethik beschäftigt sich mit dem moralisch Guten, mit dem, was wir tun sollen. Ethik hat mit Werten und Normen zu tun, die im Miteinander wünschenswert sind.
Einige ethische Aspekte im Recruiting sollen in einem schnelllebigen und oftmals unvorhersehbaren Prozess Orientierung bieten:
(1) Authentizität: Bereits in der Stellenausschreibung ist es wichtig, keine Buzzwords wie „flexibles Arbeiten“ oder „familienfreundlich“ zu verwenden, wenn diese nicht der Realität entsprechen. Denn so werden zwar Bewerber:innen angezogen, aber schnell enttäuscht sein, wenn das Versprochene im Arbeitsalltag nicht gehalten wird. Das Unternehmen authentisch zu präsentieren, ist schon bei der Stellenausschreibung wesentlich.
(2) Rasche Antwort: Es ist ein Zeichen von Respekt, auf eingegangene Bewerbungen, hinter denen (meistens) Arbeit steckt, möglichst zeitnah eine Antwort zu geben, damit die interessierte Person weiß, dass ihre Bewerbung registriert wurde. Niemand hängt gerne in der Luft.
(3) Bias-Sensibilität: Im Gespräch ist es wichtig, Bias-sensibel zu agieren. Niemand ist Bias-frei, bestimmte Vorurteile sind in uns verankert, aber wir können uns dieser Vorurteile bewusst werden und entsprechend reflektiert handeln, um Diskriminierungen zu vermeiden.
(4) Wertschätzung, auch bei Absage: Wenn im persönlichen Gespräch deutlich geworden ist, dass die Person nicht für die Stelle geeignet ist, ist eine wertschätzende Absage aus ethischer Sicht geboten. Sich nicht mehr zu melden („Ghosting“), ist nicht nur respektlos, sondern schadet auch dem Image des Unternehmens.
Der sogenannte Kategorische Imperativ in der Ethik von Immanuel Kant lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Das bedeutet, dass sich jede einzelne Person so verhalten soll, dass sie sich wünschen kann, alle Menschen würden so handeln.
Auch wenn im Recruiting-Prozess auf Bewerbende nicht immer Verlass ist, Bewerbungen manchmal willkürlich bzw. nicht auf die Stelle angepasst wirken, etc., ist es empfehlenswert, sich von Seiten des Unternehmens so zu verhalten, wie wir es uns selbst als Bewerbende wünschen würden. Das entspricht nicht nur ethischen Standards, sondern dient dem guten Ruf und in weiterer Folge der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens, wenn es auf diese Weise die besten Köpfe gewinnt.
Autorin:
Dr. Martina Schmidhuber, MBA
Head of People & Culture, Künig GmbH
Ethics Expert






