Empathie im Business: Eher Fluch oder doch ein Segen?
Empathie gilt als zentrale Kompetenz in zwischenmenschlichen Beziehungen und insbesondere in der Führung. Sie beschreibt die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, ihre Emotionen wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Dabei unterscheidet die Forschung zwischen zwei Formen: kognitiver und affektiver Empathie.

Kognitive Empathie bezeichnet das Verständnis für die Emotionen und Perspektiven anderer. Sie ermöglicht es, die Gefühle und Motive eines Gegenübers zu erkennen und zu verstehen, ohne sie selbst zu empfinden. Diese Fähigkeit unterstützt dabei, Konflikte frühzeitig zu erkennen, Kommunikationsprobleme zu vermeiden und konstruktiv zu handeln.
Affektive Empathie beschreibt hingegen das Mitempfinden der Emotionen anderer Menschen. Wer stark affektiv empathisch ist, spürt die Gefühle des Gegenübers oft körperlich mit: Traurigkeit, Wut oder Freude übertragen sich unmittelbar. Diese Form der Empathie fördert emotionale Nähe, Vertrauen und Verbundenheit, kann jedoch auch als belastend empfunden werden, da sie mit einem hohen Maß an emotionaler Aufnahmefähigkeit einhergeht.
Gerade Menschen mit ausgeprägter affektiver Empathie neigen dazu, emotionale Zustände anderer stark in sich aufzunehmen. Das kann im Alltag ebenso wie im Berufsleben zu Erschöpfung führen, wenn es an Abgrenzung fehlt. Gleichzeitig ist diese Fähigkeit eine wertvolle Ressource, denn sie schafft Authentizität, stärkt Beziehungen und ermöglicht echtes Mitgefühl. Dies sind entscheidende Faktoren für gelingende Kommunikation und soziale Bindung.
Um die positiven Aspekte affektiver Empathie zu nutzen und die Belastung zu verringern, sind einige Strategien hilfreich.
Ein erster Schritt ist die Akzeptanz: Affektive Empathie sollte nicht als Schwäche, sondern als menschliche Stärke verstanden werden. Wer Mitgefühl zeigen kann, fördert Vertrauen und Offenheit in Beziehungen und trägt zu einem wertschätzenden Miteinander bei.
Dennoch ist es hilfreich, kognitive Empathie bewusst aktivieren zu können. Anstatt sich ausschließlich von Emotionen leiten zu lassen, kann eine gedankliche Perspektive eingenommen werden: „Was fühlt mein Gegenüber – und warum?“ Diese mentale Distanz schafft Klarheit und schützt davor, selbst in emotionale Zustände hineingezogen zu werden.
Auch Achtsamkeit spielt eine zentrale Rolle. Kurze Atemübungen oder die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers können dabei helfen, präsent zu bleiben und sich nicht vollständig mit den Gefühlen anderer zu identifizieren. So lässt sich emotionale Resonanz wahrnehmen, ohne von ihr überflutet zu werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Selbstfürsorge. Wer sich regelmäßig Zeit für Ruhe, Bewegung, Natur oder kreative Tätigkeiten nimmt, kann seine emotionale Energie regenerieren. Ausreichende Erholung und bewusste Abgrenzung von belastenden Themen tragen wesentlich zur psychischen Stabilität bei.
Das Setzen von Grenzen ist ein zentrales Element im Umgang mit affektiver Empathie. Wenn Gespräche wiederholt als energieraubend empfunden werden, kann es hilfreich sein, dies freundlich, offen und klar anzusprechen und gegebenenfalls um einen Themenwechsel zu bitten. Wir dürfen loslassen, was uns dauerhaft Energie entzieht. Das kann auch bedeuten, bestimmte Gespräche zu meiden, negative Medieninhalte zu reduzieren und sich bewusst auf Positives zu konzentrieren. Initiativen wie Plattformen für „Good News” zeigen, dass neben schwierigen Ereignissen auch viel Gutes in der Welt geschieht – ein Perspektivwechsel, der emotional entlasten kann.
“Fazit”
Empathie ist eine Schlüsselfähigkeit für gelingende Beziehungen, Kommunikation und Führung. Während kognitive Empathie zu Verständnis und rationaler Klärung beiträgt, schafft affektive Empathie emotionale Verbundenheit und Vertrauen. Entscheidend ist das Gleichgewicht zwischen Mitfühlen und Abgrenzen. Affektive Empathie kann zwar emotional fordernd sein, doch wenn man sie richtig versteht und bewusst lebt, stärkt sie das Miteinander und verleiht menschlichen Begegnungen Tiefe und Authentizität.
Wer lernt, Empathie mit Achtsamkeit und Selbstfürsorge zu verbinden, bewahrt seine Energie und bleibt dennoch offen für andere. Dies ist eine Balance, die sowohl persönlich als auch beruflich von großem Wert ist.
Autorin: Sandra Richter






